Skizzen aus Bonn: Die Anfänge der Bundesregierung 1949
Mit schnellen Strichen und einem wachsamen Blick skizzierte die Künstlerin Milein Cosman im Herbst 1949 die erste bundesdeutsche Regierung und fing Szenen des Parlamentsbetriebs im Bonner Regierungsviertel ein.
Als ihr die von der amerikanischen Militärregierung gegründete Wochenzeitschrift „Heute“ eine Auftragsarbeit in Bonn anbot, überlegte Cosman nicht lange. Als junge Künstlerin hatte sie zu dieser Zeit noch kein gesichertes Einkommen und der prestigereiche Auftrag bot die Möglichkeit, in Deutschland bekannter zu werden.
Vor 75 Jahren wurde Milein Cosman Zeitzeugin: Sie erlebte, wie die Politiker ihre Büros bezogen und nahm an Debatten und Sitzungen des ersten bundesdeutschen Parlaments teil. Sie zeichnete Skizzen in raschem Tempo – so flüchtig wie die ersten Tage im neuen Parlamentsbetrieb – und sendete der „Heute“-Redaktion eine Fülle von Zeichnungen und Porträts.
Innerhalb von vier Tagen gelang es mir, den Bundeskanzler, Dr. Adenauer, und den Bundespräsidenten, das gesamte Kabinett, Mitglieder der Opposition und die Alliierte Hohe Kommission zu porträtieren.
Milein Cosman
Porträts der Politiker der Bonner Republik
Die 28-jährige Künstlerin zeichnete die Politiker mit einer gewissen Distanziertheit und nahm sie vor allem als ihre Motive und nicht als berühmte Persönlichkeiten wahr. Von den unterschiedlichen Reaktionen auf ihre Porträts ließ sie sich nicht beeindrucken. Ihr Ziel war es, den Auftrag so gut wie möglich zu erfüllen und alle Motive einzufangen.
Rückblickend bin ich erstaunt, dass ich nicht in meinen Schuhen gezittert habe. Aber diese Gelassenheit war, so denke ich, der Schlüssel zur Erledigung der Aufgabe. Es war keine Heldenverehrung im Spiel. Keine Angst.
Milein Cosman
Die Begegnung von Milein Cosman und Bundeskanzler Konrad Adenauer zeugte von ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Professionalität als Porträtistin. Bei einer Pressekonferenz hatte die junge Künstlerin ihn in Aktion skizziert und seine ernste Miene festgehalten. Adenauer war unzufrieden mit seiner Darstellung. Deshalb lud er Cosman dazu ein, in seinem Haus in Rhöndorf ein bereits existierendes Porträt von ihm abzuzeichnen. Diese Einladung schlug Cosman empört aus. Nach jener Erfahrung lehnte Adenauer es ab, zwei Wochen später den politischen Karikaturisten Victor Weisz zu empfangen.
Eine Rückkehr nach Deutschland?
Im Herbst 1949 reiste Milein Cosman zum zweiten Mal nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland. Als Kind jüdischer Eltern verließ sie ihre Heimat aufgrund der Gefahr vor der nationalsozialistischen Verfolgung und ging nach Großbritannien ins Exil.
Darüber, dass die Auftragsarbeit der Wochenzeitschrift „Heute“ sie nach Bonn und damit in ihre Heimat, das Rheinland, führte, freute sich die Künstlerin sehr. Sie lauschte dem rheinischen Akzent und ließ die Landschaft am Rhein auf sich wirken.
Von Carlo Schmid, dem damaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestags und SPD-Politiker, war Cosman beeindruckt. Als er sie überzeugen wollte nach Deutschland zurückzukehren, lehnte sie jedoch ab. Eine Rückkehr war für die Porträtistin nicht vorstellbar.
Cosmans Skizzen erschienen im November 1949 auf zwei Doppelseiten begleitet von Notizen des Journalisten Robert Müller. Nach jener Veröffentlichung lagen die Zeichnungen der historischen Szenen und Personen jahrzehntelang in einer Schublade ihres Grafikschranks im Londoner Exil. Noch kurz vor dem Tod der Künstlerin erwarb diese die Kunstsammlung des Deutschen Bundestags. Im Frühjahr 2024 war eine Auswahl der Skizzen in der Sonderausstellung „Den Moment zeichnen – Die Künstlerin Milein Cosman“ im Stadtmuseum Bonn zu sehen.